Sogenannte Willkommensklassen können unzureichende Deutschkenntnisse von Flüchtlingen offenbar nicht wie erhofft ausgleichen. Junge Geflüchtete verbesserten ihre Sprachkenntnisse in Deutschland am ehesten, wenn sie möglichst schnell in reguläre Schulklassen kommen, heißt es in einer am Dienstag vorgestellten Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU).
Damit Schüler aus eingewanderten Familien dem Unterricht folgen und gute Leistungen bringen können, müssen sie die Sprache des Aufnahmelandes beherrschen. „Über den Stand der Deutschkenntnisse existieren auch zehn Jahre nach der großen Fluchtmigrationsbewegung nach Deutschland wenig Zahlen“, so Oliver Winkler vom Institut für Soziologie der MLU. Untersuchungen zeigten jedoch, dass geflüchtete Grundschulkinder beim Leseverständnis durchschnittlich zwei Schuljahre im Vergleich zu ihren nicht eingewanderten Mitschülern zurücklägen.
Die Ergebnisse der Auswertung zeigen, dass längere Wartezeiten bis zur Einschulung auch Jahre später noch mit schlechteren Deutschkenntnissen einhergingen. „In vielen Bundesländern beginnt die Einschulung erst dann, wenn die Zuweisung der Flüchtlingsfamilie zu einer Kommune erfolgt ist. Damit sollen häufige Schulwechsel vermieden werden“, sagte Winkler. Folge dieser Politik sei, dass schulpflichtige Flüchtlingskinder oft deutlich länger als ein halbes Jahr auf ihre Einschulung warteten und in dieser Zeit keinen Kontakt zu deutschsprachigen Mitschülern hätten.
Dieser mangelnde Kontakt zu gleichaltrigen Nichtgeflüchteten sei offenbar auch ein Grund dafür, dass Willkommensklassen kaum zu einer Angleichung der Zweitsprachkenntnisse führen. Solche Klassen sind in vielen Bundesländern eingerichtet worden, um junge Geflüchtete mit geringen Deutschkenntnissen auf den Besuch einer Regelklasse vorzubereiten. Ehemalige Schüler von Willkommensklassen hätten auch Jahre später noch geringere Sprachkenntnisse als jene Flüchtlinge, die von Anfang an Regelklassen besuchten haben, so die Ergebnisse der Studie. „In den Vorbereitungsklassen gelingt es offenbar nicht ausreichend, Anfangsunterschiede beim Sprachniveau auszugleichen“, sagte Winkler.
In die Analyse wurden 1.097 Jugendliche einbezogen, die zum Befragungszeitpunkt zwischen 14 und 16 Jahre alt waren und eine Regelklasse in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder Sachsen besuchten.
Foto: via dts Nachrichtenagentur