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Anita Lasker-Wallfisch trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Osnabrück ein

Dr. Anita Lasker-Wallfisch trägt sich unter den Augen von Oberbürgermeister Wolfgang Griesert in das Goldene Buch der Stadt Osnabrück ein. Foto: Stadt Osnabrück, Silke Brickwedde

Osnabrück. Dr. Anita Lasker-Wallfisch hat sich ins Goldene Buch der Stadt Osnabrück eingetragen. Die 94-jährige deutsch-britische Cellistin ist eine der letzten bekannten Überlebenden des Mädchenorchesters von Ausschwitz. Seit 1994 besuchte sie immer wieder Deutschland, um insbesondere in Schulen von ihrem Schicksal zu berichten. Viel Beachtung fand ihre Rede im Januar 2018, als sie im Deutschen Bundestag eindringliche Worte gegen den wiedererstarkenden Antisemitismus fand.
Auch in Osnabrück suchte Anita Lasker-Wallfisch den Kontakt zu jungen Menschen. Vor dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt hielt sie im Ratsgymnasium eine Lesung, nach der Veranstaltung im Friedensaal war sie im Felix-Nussbaum-Haus. Auch dort las sie aus ihrem Buch „Ihr sollt die Wahrheit erben“, einer sehr persönlichen Chronik einer Überlebenden, und sprach unter anderem mit Mitgliedern der IG-Metall-Jugend. Anita Lasker-Wallfisch wünscht sich mehr und tiefergehenden Unterricht über die jüdische Geschichte an den Schulen: „Das man heute wieder das Wort ‚Antisemitismus‘ lesen muss, hätte ich vor 70 Jahren nicht geglaubt.“
Im Nussbaum-Haus hatte ihr Enkel Simon Wallfisch noch im August 2018 mit jungen Musikerinnen und Musikern aus ganz Europa Lieder aus dem KZ Theresienstadt arrangiert. Auch ihr Sohn Raphael Wallfisch hat einen Bezug zu Osnabrück: Er spielte im Januar 2017 mit dem Osnabrücker Symphonieorchester das Cello-Konzert von Hans Gál.
Bevor Anita Lasker-Wallfisch sich ins Goldene Buch eintrug, würdigte Oberbürgermeister Wolfgang Griesert ihre Vita: „Sie sind eine ebenso leidenschaftliche wie erfolgreiche Cellistin, als Mitbegründerin und langjähriges Mitglied des English Chamber Orchestra prägt die Musik ihr Leben.“ Doch die Musik war nicht der Anlass ihres Besuches in der Friedenstadt: „Anlass ist Ihr Lebensweg, an dessen Anfang eine behütete Kindheit und Jugend standen, gefolgt von Erfahrungen größtmöglicher Grausamkeit, Not und Pein, Unfreiheit und Willkür und einem anschließenden Leben einer Überlebenden.“
Nur weil jemand zufällig erfuhr, dass Anita Lasker, wie sie 1943 noch hieß, Cello spielen konnte, wurde sie Mitglied in der Lagerkapelle in Auschwitz-Birkenau. Die Musikerinnen des sogenannten „Mädchenorchesters“ spielten beim Aus- und Einzug der Gefangenen, die in den umliegenden Fabriken arbeiteten.
„Welche Kraft mag Sie das kosten, sich immer wieder zu erinnern und vor allem in das Land der Täter zu reisen, damit wir uns der Erinnerung stellen?“, fragte Oberbürgermeister Griesert in seiner Rede. Und er forderte die Zuhörer auf, mutig Stellung zu beziehen, in einer Zeit, in der in vielen europäischen Ländern und auch in Deutschland Rechtspopulismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus erstarken. „Seine Meinung zu sagen und Stellung zu beziehen, sind wichtige Voraussetzungen für eine Demokratie, die sich deshalb freiheitlich nennt, weil sie alle Teile der Gesellschaft umfasst und keinen ausschließt oder stigmatisiert.“
Wolfgang Griesert bat schließlich Anita Lasker-Wallfisch, sich ins Goldene Buch einzutragen „mit großem Respekt vor Ihrem Mut, Ihrer Kraft und Ihrem Lebensweg.“