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Blaulicht

Kriminalstatistik 2020: Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte nimmt zu

Themenbild: Pixabay

Osnabrück. „Die Zahl der registrierten Straftaten ist erneut gesunken und stellt den geringsten Wert der letz-ten 32 Jahre dar. Und: Den Zahlen nach sind die Menschen in unserer Region immer weniger direkt von Kriminalität betroffen – das sind gute Nachrichten.

Unsere Bilanz ist gut. Die Kolleginnen und Kollegen haben einen tollen Job gemacht. Dennoch: Einige Deliktsbereiche erfordern unsere ver-stärkte Aufmerksamkeit.“ „Das vergangene Jahr war unter dem Eindruck der Pandemie auch für die Polizei ein ganz besonde-res und hatte Auswirkungen auf das Kriminalitätsgeschehen. Kriminalität hat sich verändert und verlagert sich mehr und mehr ins Netz. Ich sage aber auch ganz deutlich: Neben der Analyse der objektiven Kriminalitätslage sind auch die Einbeziehung des Sicherheitsempfindens und des Anzeigeverhaltens der Menschen in unserer Region von größter Bedeutung. Wir setzen eigene regionale Akzente, bilden Schwerpunkte und beteiligen uns an Projekten. Außerdem erhoffe ich mir durch die neu aufgelegte Dunkelfeldstudie des LKA Niedersachsen weitere Erkenntnisse für unsere Arbeit.“

Kernaussagen PKS 2020


– Gesamtzahl der Straftaten auf Tiefstand der letzten 32 Jahre –
Aufklärungsquote steigt
– Rund 60% weniger Einbrüche seit 2017 – Zahl der
Wohnungseinbrüche weiter stark rückläufig
– Polizeibeamte und Rettungskräfte zunehmend Opfer von Gewalt und
Respektlosigkeiten
– Kinder- und Jugendkriminalität: Verbreiten pornografischer
Inhalte nimmt deutlich zu
– Bekämpfung von Straftaten gegen Senioren bleibt Schwerpunkt –
größere Ermittlungserfolge zeigen Wirkung
– Sonderbetrachtung Corona-Pandemie: Kriminalitätsgeschehen
verringert und verlagert sich
Gesamtzahl der Straftaten auf Tiefstand der letzten 32 Jahre – Aufklärungsquote steigt

Das Straftatenaufkommen im Gebiet der Polizeidirektion Osnabrück, in der rund 1,5 Millionen Einwohner leben, ist abermals gesunken. Mit 79.245 Straftaten von den Ostfriesischen Inseln bis zum Teutoburger Wald ist dies der niedrigste Wert in der Kriminalstatistik seit 32 Jahren – 5,6% bzw. 4.680 Fälle weniger im Vergleich zum Vorjahr. Der positive Trend zeigt sich auch bei der Aufklärungsquote, die auf 64,99 % gesteigert werden konnte. Sehr erfreulich ist zudem die weiter rückläufige Entwicklung der Kriminalitätsbelastung der Menschen in der Direktion. Den Zahlen nach sind die Menschen im Direktionsbereich immer weniger direkt von Kriminalität betroffen.

Trotz der positiven Zahlen ist das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung jedoch oftmals ein anderes. Neben der Analyse der objektiven Sicherheitslage ist deshalb die Einbeziehung des subjekti-ven Sicherheitsgefühls der Menschen ein Schwerpunktthema. Beispielsweise beteiligt sich die Direktion in diesem Zusammenhang seit Dezember 2020 aktiv an einem bundesweiten Forschungs-projekt namens „WACHMANN“. Ausgangsfrage: Wie können W-LAN-Router dazu dienen, unbe-fugte Eindringlinge zu erkennen und eine Alarmierung auszulösen und wie können Staatsanwaltschaft und Polizei die digitalen Spuren bei ihrer Ermittlungsarbeit besser nutzen? In dem auf zwei Jahre ausgelegten Projekt sind auch die Universität Bonn und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Partner.

Rund 60% weniger Einbrüche seit 2017 – Zahl der Wohnungseinbrüche weiter stark rückläufig Einen nach 2019 nochmals überdurchschnittlichen Rückgang verzeichnete die Direktion bei den Wohnungseinbrüchen. In den letzten vier Jahren konnte die Zahl der Einbrüche um rund 60 % reduziert werden. Insgesamt nahm die Zahl der Fälle in 2020 um 167 Taten bzw. 13,89 % deutlich ab und sank mit 1.035 Einbrüchen auf ein neues 30-Jahrestief. Die Aufklärungsquote sank von 28,1 % in 2019 leicht auf 26,96 %. Maßmann: „Mehr als eine Halbierung der Einbrüche in den letzten vier Jahren ist eine Erfolgsgeschichte, die wesentlich auf die umfassende Präventions- und Ermittlungsarbeit zurückzuführen ist. Das hat sich auch bei den Tätergruppierungen herumgesprochen.“

Polizeibeamte und Rettungskräfte zunehmend Opfer von Gewalt und Respektlosigkeiten Nicht nur für die Polizei ist das Phänomen Gewalt gegen Polizeibeamte ein Dauerthema, sondern auch für Rettungskräfte und für öffentliche Personen. Im Jahr 2020 bilanzierte die Direktion allein bei den eigenen Polizeibeamten einen Anstieg um 13,32 % auf 604 Fälle. Auch Widerstände, tätliche Angriffe, Beleidigungen und Respektlosigkeiten spielten dabei eine Rolle. Bei den Rettungskräften nahm die Zahl ebenfalls zu. Etwa zwei Drittel aller Fälle, geschahen unter dem Einfluss von Alkohol oder zunehmend anderer Drogen. Bedenklich: 1.340 Polizisten wurden im letzten Jahr in der Polizeidirektion selbst Opfer von Gewalt und trugen teilweise Verletzungen davon. Maßmann: „Jeder zweite Polizeibeamte der Polizeidirektion ist den Zahlen nach im letzten Jahr selbst Opfer geworden – ein sehr trauriger Rekord. Ich betrachte diese Entwicklung mit großer Sorge. Es mangelt offensichtlich in Teilen der Gesellschaft an Respekt und Achtung gegenüber Amtsträgern.“

Kinder- und Jugendkriminalität: Verbreiten pornografischer Inhalte nimmt deutlich zu Insgesamt sind die Fallzahlen im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität positiv zu bewerten. Die Fallzahlen sind seit einigen Jahren konstant zurückgegangen und stagnieren im Vergleich auf niedrigem Niveau – aktuell bei 5.293 Straftaten. Bei detaillierter Betrachtung fällt allerdings ein Deliktsbereich negativ auf: Die Verbreitung von pornografischen Inhalten: Hier verzeichnet die Direktion seit zwei Jahren starke Zunahmen – im letzten Jahr um 33,26 % auf 617 Taten. Auffällig dabei ist die Veränderung der Altersstruktur bei den Tatverdächtigen. Der Anteil der tatverdächtigen Kinder- und Jugendlichen nahm um 40,31 % zu. In den allermeisten Fällen geht es um das Verbreiten von pornografischen Inhalten über die sozialen Netzwerke und vor allem Messengerdienste wie WhatsApp. Besonders das Versenden und Teilen von entsprechenden Nackt- oder freizügigen Bildern bzw. Videos via Smartphone hat überproportional zugenommen. Teilweise gelangten entsprechende Inhalte anschließend in die sozialen Netzwerke. Die bei Schülern sehr beliebten sogenannten (WhatsApp-) Sticker sowie Memes spielen dabei eine zentrale Rolle. Mit nur wenigen Klicks ist ein solcher Sticker, beispielsweise mit einem Nacktbild eines Kindes, fertiggestellt bzw. manipuliert und versendbar. Der Erwerb, die Verbreitung und der Besitz solcher Inhalte ist nach dem Strafgesetzbuch strafbar und kann mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden.

Trotz des hohen Engagements polizeilicher Präventionsteams und Präventionsmaßnahmen von Schulen, Kommunen und anderen Institutionen, fehlt offensichtlich gerade bei den ganz jungen Menschen, die ein Smartphone besitzen, die nötige Medienkompetenz. Viele der jungen Men-schen wissen nicht, dass sie sich strafbar machen. Hier knüpft eine neuartige Informationsveranstaltung der Direktion an: Unter dem Titel „Whatsapp, Instagram und Snapchat: was geht uns Eltern das an?“ werden im Mai rund 500 Lehrer, Schulleiter und Eltern bei einem Webinar dem Hauptreferenten Moritz Becker zuhören. Das Webinar ist bereits ausgebucht, die Nachfrage ist riesig. Becker ist Sozialpädagoge, Eltern-Medien-Trainer und „nebenbei“ selbst Vater. Er arbeitet für den Verein smiley e.V. aus Hannover. Außerdem ist er Lehrbeauftragter an der Universität Hannover und freiberuflich unter anderem für die niedersächsische Landesmedienanstalt tätig. Maßmann: „Unsere Erfahrungen belegen, dass die Medienkompetenz bei den jungen Menschen ganz und gar nicht ausreicht. Es besteht akuter Handlungsbedarf. Wir müssen die jungen Menschen frühzeitiger und noch mehr über die Gefahren und die rechtlichen Grenzen der Nutzung des Internets aufklären. Eltern und Lehrern kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Auch die Polizei leistet ihren Beitrag und verstärkt ihr Engagement.“

Bekämpfung von Straftaten gegen Senioren bleibt Schwerpunkt – größere Ermittlungserfolge zeigen Wirkung Bei den Straftaten zum Nachteil von Senioren ist von Schockanrufen, Enkeltricks, falschen Gewinnversprechen oder falschen Polizeibeamten die Rede. Ältere Menschen werden mitunter durch perfide Tricks der Täter bzw. Täterbanden um ihr Erspartes gebracht. Das Sicherheitsempfinden ist dadurch stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Direktion hatte hier bereits 2018 einen Schwerpunkt gesetzt und die Ermittlungen intensiviert und konzentriert. Das geschieht auch zunehmend in den Polizeiinspektionen. Während bei den Enkeltrick-Fällen die Zahlen anstiegen, sank die Zahl der Fälle bei den falschen Polizeibeamten überdurchschnittlich stark. Auch wenn die meisten Fälle im Versuchsstadium stecken bleiben, lag der Schaden im letzten Jahr bei mehr als 620.000 Euro – 200.000 Euro weniger als im Vorjahreszeitraum.

Einen großen Schlag gegen falsche Polizeibeamte konnte die Polizeidirektion im Februar 2020 verzeichnen, bei dem auch die Hintermänner einer international agierenden Callcenter-Bande ermit-telt und festgenommen werden konnten – darunter auch der mutmaßliche Kopf der ca. 70 Mitglieder starken Bande. Neben der Osnabrücker Polizei waren auch die Polizei Koblenz und auf internationaler Ebene die türkische Polizei an den Ermittlungen beteiligt – eine mögliche Verurteilung steht noch aus. Die Ermittler beschlagnahmten bei Durchsuchungen mehrere hochwertige Autos, Bargeld und Schmuck. Der Schaden bei den bundesweit betroffenen Betrugsopfern beläuft sich allein in diesem Ermittlungsverfahren auf rund drei Millionen Euro. Maßmann: „Unsere erfolgreiche internationale Zusammenarbeit hat offensichtlich Wirkung bei den großen Callcenter-Banden gezeigt, denn die Fallzahlen sinken. Fast immer läuft die Kommunikation über das Telefon. Wir brauchen klare Kompetenzen im Bereich der Vorratsdatenspeicherung, da Ermittlungen oft erst Wochen und Monate später geführt werden.“

Neben der konzentrierten Ermittlungsarbeit ist die Prävention der zweite zentrale Baustein zur Verhinderung solcher Straftaten. Die Polizei hat mit intensiver Präventionsarbeit auf den starken Anstieg der Fallzahlen in den vergangenen Jahren reagiert. Neben Warnhinweisen in zielgruppengerechten Medien und einer proaktiven Öffentlichkeitsarbeit, ist eine enge Zusammenarbeit mit regionalen Partnern eingespielte Routine. In Osnabrück wurde jüngst vom Präventionsteam ein Theaterstück zur Sensibilisierung älterer Menschen entwickelt. Schauspieler gehen mit der Polizei in der Region auf Tour und stellen dem älteren Publikum spielerisch die Maschen der Täter vor. Auch in Impfzentren machen Polizisten direktionsweit auf das Thema aufmerksam und sensibilisieren ältere Menschen.

Sonderbetrachtung Corona-Pandemie: Das Kriminalitätsgeschehen verringert und verlagert sich Die Corona-Pandemie stellt die Polizei heute wie auch im letzten Jahr vor große Herausforderungen: Im Jahr 2020 registrierte die Polizeidirektion 5.012 Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten im Zusammen mit Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz oder der regionalen Corona-Verordnungen. Zur Durchsetzung der staatlichen Eindämmungsmaßnahmen wurde die Polizeipräsenz erhöht, was sicherlich auch zum Rückgang des allgemeinen Straftatenaufkommens geführt hat. Auch die durch die Corona-Pandemie veränderten Alltagsroutinen der Bevölkerung hatten zur Folge, dass weniger klassische Straftaten begangen wurden. Auffällig: Straftaten verlagern sich auch durch die Pandemie zunehmend ins Internet. Die Internetkriminalität steigt um 10 % auf 5.445 Taten. Der Anteil der Internetkriminalität am Gesamtaufkommen der Straftaten in der Direktion steigt – er beträgt mittlerweile rund 7 %. Die Dunkelziffer bei den Internetstraftaten dürfte aber viel höher sein – das belegen auch die Dunkelfeldstudien in Niedersachsen.

Der Rückgang der Taten speziell bei den Wohnungseinbrüchen dürfte auch pandemiebedingte Gründe haben. Seit März letzten Jahres kam es zu einer deutlichen Reduzierung der Tatgelegenheiten. Viele Einwohner hielten sich vermehrt zu Hause auf. Das schreckte potentielle mitunter Täter ab. Bei den Raub- und Körperverletzungsdelikten sanken die Fallzahlen ebenfalls deutlich um mehr als 10 % im Vergleich zum Vorjahr. Ursächlich hierfür dürfte das stark eingeschränkte Freizeit- und Ausgehverhalten sein, welches ebenfalls zu weniger Tatgelegenheiten führte. Clubs, Diskotheken und Bars waren ab dem 16.03.2021 geschlossen und öffentliche Veranstaltungen untersagt. Der Deliktsbereich Häusliche Gewalt nahm im letzten Jahr deutlich um 11,84 % zu – von 3.294 auf 3.684 Taten. Pandemiebedingte Faktoren führten offensichtlich auch zu vermehrten interfamiliären Eskalationen, verbunden mit körperlichen Angriffen. Die Polizeidirektion ist mit den regionalen Netzwerkpartnern im ständigen Austausch. Auch die Präventionsarbeit in diesem Kontext hat einen hohen Stellenwert. Zudem wird die niedersächsische Dunkelfeldstudie erstmals im Hinblick auf dieses Deliktsfeld ausgeweitet. Bei den Betrugsstraftaten verzeichnet die Direktion neue perfide Maschen. Ein Beispiel: Unter dem Vorwand, alsbald eine Impfung erhalten zu können, gaukelten Telefonbetrüger älteren Menschen vor, dass sie für die anstehende Impfung in Vorleistung gehen müssten. Es blieb bei den Fällen beim Versuch, die Anrufer merkten den Betrug und beendeten das Gespräch. Auch beim Betrug über sog. Fake-Shops nahm die Zahl der Fälle – sicherlich auch coronabedingt – von 236 auf 692 (rd. 200 %) drastisch zu. Beim Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen lag die Zahl im letzten Jahr bei 140 Fällen. Maßmann: Auch für die Polizei ist die Bewältigung der Pandemie einer der größten Herausforderungen in der Geschichte. Die Polizei hat in der öffentlichen Wahrnehmung der Pandemiebekämpfung eine ganz zentrale Rolle. Dessen sind wir uns bewusst.“

PM/POL-OS