Bad Iburg. Die Kritik an Bürgermeisterin Annette Niermann und ihrer auf dem Briefbogen der Stadt vorgenommene Empfehlung, gegen den Erhalt der drei Grundschulen zu stimmen, hält an. So bestätigt nun auch eine juristische Ausarbeitung des Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Koch von der Universität Osnabrück, dass „gegen die Zulässigkeit des Statements erhebliche rechtliche Bedenken bestehen.“ Diese ergeben sich vor allem aus ihrer Funktion als Abstimmungsleiterin, die sich zwingend neutral zu verhalten habe.
So bestätigt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes aus 2017, mit der ein entgegenstehendes Urteil des OVG Münsters aufgehoben wurde, dass Amtsträger bei Stellungnahmen zu örtlichen Angelegenheiten an das Sachlichkeitsgebot gebunden sind. Dies gilt auch für Abstimmungen, bei denen sogar eher strengere, der Neutralitätspflicht angenäherte Maßstäbe Anwendung finden. Die Verpflichtung zur Zurückhaltung und Neutralität einer Abstimmungsleiterin – welche Niermann ist – ergibt sich zudem aus der Neutralitätspflicht eines Wahlleiters nach dem Niedersächsischen Kommunalwahlgesetz. Hieraus leitet sich, so Koch, ab, dass die Abstimmungsleitung bei einem Bürgerentscheid in „Ansehung des Abstimmungsgegenstandes größtmögliche Zurückhaltung zu üben hat, um den Anschein von Parteilichkeit zu vermeiden.“ Eine ausdrückliche Abstimmungsempfehlung ist mit diesen rechtlichen Vorgaben unvereinbar.
Das von Bürgermeisterin Niermann zu ihrer Rechtfertigung angeführte Urteil des OVG Münster ist laut Prof. Dr. Koch hierbei so nicht auf Bad Iburg übertragbar. So ist dessen Grundlage nicht das Niedersächsische Kommunalwahlgesetz, sondern die entsprechende Regelung aus Nordrhein-Westfalen. Zudem bezieht es sich auf ein sogenanntes kassatorisches Bürgerbegehren, das heißt ein Bürgerbegehren, das gegen einen existierenden Ratsbeschluss gerichtet ist. Demgegenüber handelt es sich in Bad Iburg um einen nicht-kassatorischen Entscheid. Ohnehin scheint die Rechtsprechung des OVG Münster nur schwer mit der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes in Einklang zu bringen zu sein.
Auf Grund dessen ist die parteiergreifende und teilweise sachlich unrichtige Erklärung der grünen Bürgermeisterin als Abstimmungsleiterin nach Auffassung von Koch geeignet, einen rechtserheblichen Mangel der Abstimmung zu begründen. Hieraus wiederum entsteht die Möglichkeit, dass der Bürgerentscheid angefochten werden kann. Es liegt daher auf der Hand, dass Niermann alle Äußerungen unterlassen muss, die dem Gebot der Neutralität und Parteilichkeit als Abstimmungsleiterin zuwiderlaufen. Nur so könne erreicht werden, dass der Bürgerentscheid allen demokratischen Grundprinzipien gerecht wird, damit am 29. September ein klares Ergebnis erzielt werden kann, was im Interesse aller sein dürfte.